Monday, July 03, 2017

Die Bibliothek vor ... Jahren. Kolumne 4/2016: Bildschirmtext

Ausgabe 4 meiner Kolumne "Die Bibliothek vor ... Jahren" in den Büchereiperspektiven befasste sich mit dem Bildschirmtext.

"Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen", sagte – je nach Quelle – Mark Twain, Karl Valentin, Niels Bohr oder Winston Churchill. Und natürlich ist es leicht, rückblickend über nicht eingetretene Prophezeiungen zu schmunzeln. Die Welt ist noch immer nicht untergegangen, die kalte Fusion liefert uns auch heute keine Energie, der weltweite Bedarf an Computern hat fünf Stück bei Weitem überschritten – und Bildschirmtext in Bibliotheken setzte sich nie wirklich durch.

Bildschirmtext oder BTX war vor 35 Jahren "the next big thing". Für diese Anwendung – nicht zu verwechseln mit Teletext oder Telex – waren eine Telefonleitung, ein Fernseher und ein Computer erforderlich. Über die Telefonleitung wurden Texte oder einfache Bildsymbole von einem Computer der Senderin auf einen Fernsehschirm beziehungsweise Computermonitor der Empfängerin übertragen. Die Kosten wurden pro abgerufene Seite über die Telefonrechnung verrechnet. Sogar Chats, Online-Shopping und Online-Banking waren möglich. Wie konnten Bibliotheken BTX nutzen? "Wer ein besonders für Gelegenheits- oder Laien-Nutzer geeignetes 'Fenster' zur fachlich-sachlichen Information und Kommunikation benötigt, für den wird Bildschirmtext ein attraktives Instrument moderner Informationsvermittlung darstellen", schrieb Harald H. Zimmermann im Juni 1982. Clemens Deider beschrieb im Band 17 des "Bibliotheksdienst" vom Februar 1983 die speziellen Anwendungsmöglichkeiten für Öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken: "Die augenfälligste Zielgruppe ist der Bibliotheksbenutzer, der über den Medien- oder Titelbestand einer Bibliothek, über seinen Standort und seinen augenblicklichen administrativen Zustand (z.B. ausgelehen, vorbestellt usw.) informiert sein möchte". Außerdem könnten die Bibliotheken das Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB) über BTX abrufen und hätten somit eine "schnellere und bequemere Erwerbungsart" zur Verfügung. "Nicht zuletzt dürfte die schlichte Information der Bibliothek über ihre Anschrift, Öffnungszeiten, besondere Schwerpunktsammelgebiete, Haltestellen und Zeiten von Bücherbussen, aktuelle Information über kurzfristige Schließungen, Terminänderungen usw. für den Bibliotheksbenutzer von Interesse sein". Es böte sich für die BenutzerInnen auch an, Ankaufsvorschläge, "die sonst aus Bequemlichkeit unterbleiben", so zu übermitteln.

In Österreich gab es Bildschirmtext von 1981 bis 2001, dann wurde der Dienst endgültig eingestellt. Das Internet und später das World Wide Web hatten dem BTX schon lange den Rang abgelaufen.

Klaus Nahr: Museum für Kommunikation - Depot Heusenstamm - Btx 03. Unser Btx - ruf doch mal ab. Flickr, 2010, CC-BY-SA

Quellen:

No comments:

Post a Comment