Saturday, June 06, 2009

Bericht von der Leistungsschau des Magistrats

Am 24. Mai betreute ich mit einem Kollegen den Stand der Wienbibliothek bei der großen Leistungsschau des Magistrats am Rathausplatz. Mir gefiel die Arbeit wirklich gut, wir konnten zahllose Male den Unterschied zwischen Büchereien Wien und Wienbibliothek klären, haben neue BenutzerInnen und Veranstaltungsgäste gewonnen, konkrete Fragen zu unseren Beständen und Sammlungen beantwortet, aber es gibt natürlich auch immer einige BesucherInnen, die zwischen leicht seltsam und komplett irre schwanken.
  • Da war der ältere Mann, der mich nach dem Bad in Oberlaa befragte. Ich verwies ihn an die KollegInnen von den Wiener Bädern, mit denen wir uns den Stand teilten. Als die ihm erklärten, nur Informationen über die städtischen Bäder zu haben, drehte er sich zu mir um und sagte erbost: "Sie haben mich angelogen!"
  • Dann kamen da der Mann, der halb auszuckte, weil wir ihm kein Programm vom Festival der Bezirke liefern konnten, und die Frau, die sich furchtbar aufregte, weil ich ihr nicht auswendig sagen konnte, ob wir ein bestimmtes Buch im Bestand haben: "Ohne Computer können Sie wohl gar nichts mehr". Mein dezenter Hinweis, dass man sich normalerweise 550.000 Bücher nicht merken könne, interessierte sie nur wenig.
  • Ein älterer Mann erklärte, er könne nur selten zu unseren Veranstaltungen kommen, weil die so früh begännen, dass er da noch einen Parkschein brauche. Meinen Vorschlag, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen, habe ich ein wenig bereut, denn darauf folgte ein längerer Vortrag: Es sei ihm lieber, als Jugendlicher im Zweiten Weltkrieg ausgebombt worden zu sein als nun unter dem Gesinnungsterror der Grünen und Klimaschützer leiden zu müssen - öffentliche Verkehrsmittel seien genauso eine Ideologie wie Faschismus und Nationalismus. Nach einiger Zeit flüchtete ich mich in ein neutrales "das kann man so und so sehen". War zwar nicht sehr mutig, aber nachdem andere Leute auch schon warteten, hatte ich keine Lust auf eine solche Diskussion.
  • Aber der seltsamste Besucher war sicher jener Mann (geschätzt zwischen 35 und 40), der es schaffte, in nicht einmal fünf Minuten den Sprung von unserer Bibliothek zu Zyklon B zu schaffen, und das alles, während er Karottenteile in unserer Gegend versprühte, denn an einer solchen kaute er gerade. Ich versuche mal, einen Eindruck von seinem atemlosen Monolog zu verschaffen: "AhdieWienbibliothekkennicheh-dahabichschonmaldenLehmannverwendet-dahabichentdecktdassmeineVerwandtenihreWohnungenarisierthaben-allesNazismanmusssichehgenieren-aberGottseiDanksinddieehschonalletot-wirklicheineSchandesoeineFamilie-übrigenshabenSieschongewusst-dassderHerstellervonZyklonBbisindiesiebzigerJahreinDeutschlandgelebthat-derhateineReichsmarkproVergastemverdient-jameineFamiliedieNazisdiesindGottseiDankschonalletot-dasmusseinemjapeinlichsein" usw.usw. So ernst sein eigentliches Thema war, ich musste mich bei seiner Vortragsweise dann doch kurz abwenden, um Folder zu sortieren...
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